Gegen Gleichgültigkeit und Vergessen

Titelbild der 3. Auflage der Treblinka-Broschüre, 2000
Titelbild der 3. Auflage der Treblinka-Broschüre, 2000

Treblinka-Obermajdan war der von der SS erfundene Name für einen Ort, der in Wirklichkeit das Vernichtungslager Treblinka war. Die fiktive Ortsbezeichung war an einer Bahnhofsattrappe angebracht, die sich an der Zufahrtsrampe des Lagers befand. Bei den "umgesiedelten" Menschen sollte der Eindruck erweckt werden, als ob sie an einem ganz gewöhnlichen Provinzstadtbahnhof angekommen wären, von dem aus sie zum Weitertransport in ein Arbeitslager gebracht würden.

Das Vernichtungslager Treblinka (120 km nordöstlich von Warschau) wurde jedoch zur "Räumung" des Warschauer Ghettos 1942 angelegt, in dem sich im Sommer 1942 über 350 000 Menschen befanden. Dieser "Jüdische Wohnbezirk in Warschau" (offizielle SS-Bezeichung des Ghettos) wurde Ende Juli 1942 aufgelöst und die "Bewohner" in Güter- und Viehwaggons der Deutschen Reichsbahn vom so genannten "Umschlagplatz" in Warschau aus vorwiegend nach Treblinka verschleppt, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft beraubt und in Gaskammern getötet wurden. Nach einem Funkspruch von SS-Stubaf. H. Höfle aus dem Stab des HSSPF in Lublin (SS Brigf. O. Globocnik, Beauftragter der Aktion Reinhard) an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Krakau, abgefangen und entschlüsselt durch den Secret Service am 11.1.1943, betrug die Mordziffer der SS in Treblinka bis zum 31.12.1942 genau 713 555 Tote (Quelle veröffentlicht 2000: Höfle-Telegramm und P. Witte © DIE ZEIT, 03/2002).

Die Gesamtzahl der in Treblinka ermordeten Menschen liegt unter Berücksich-tigung dieser neuesten Quelle und der bis Mitte August 1943 fortgesetzten Transporte bei 750 - 800 000 und damit gleich hinter Auschwitz.

 

  Mein Entschluss, einen ausführlichen Bericht über Treblinka und das Schicksal der dort ermordeten Menschen zu schreiben, geht auf einen Besuch des Lagers bzw. der Gedenkstätte Treblinka am 25. April 1994 zurück. Die daraufhin entstandene Broschüre (vgl das Titelbild) erschien in 3 Auflagen zwischen 1995 und 2000.

Exemplare der letzten Auflage meiner Monographie "Treblinka. Ein NS-Vernich-tungslager im Rahmen der der Aktion Reinhard" (neuerdings Reinhardt) können bei der Gedenkstätte Bergen-Belsen (D-29303 Lohheide, Gedenkstätte Bergen-Belsen) bestellt oder im eigenen Buchladen vor Ort gekauft werden.

 

  Der folgende um einige Fakten erweiterte Text war für die letzte Auflage der Treblinka-Broschüre bestimmt, wurde dann aber aus Termingründen nicht gedruckt und wird jetzt hier zum ersten Mal veröffentlicht.

 

 

SS-Untersturmführer Kurt Franz, vermutlich 1943 mit 29 Jahren
SS-Untersturmführer Kurt Franz, vermutlich 1943 mit 29 Jahren

Kurt Hubert Franz:

Eine SS-Karriere in Treblinka.

 

 

Kurt Hubert Franz, der letzte Lagerkommandant des Vernichtungslagers Treblinka, wurde am 17. Januar 1914 als Sohn eines Kaufmanns in Düsseldorf geboren.

Er war neben SS-Stubaf. Christian Wirth, dem Inspekteur aller Vernichtungslager der „Aktion Reinhard“, der eigentliche Organisator des Lagers, der sich für den reibungslosen Ablauf der in Treblinka eingesetzten Tötungsmaschinerie einsetzte. Er war ein Vollstrecker der „Endlösung“, der nach dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 3. September 1965 in Treblinka „einen derartigen Sadismus ... (offenbarte) ... daß die menschliche Phantasie kaum ausreicht, um sich die von ihm oder unter seiner Leitung und Mitwirkung verübten Untaten überhaupt vorstellen zu können“. Im Urteil gegen Franz findet sich der folgende vom Autor überarbeitete und ergänzte Lebenslauf (vgl. Sagel-Grande, I. u.a.: Justiz und NS-Verbrechen. Amsterdam 1981, Bd. XXII).

Danach besuchte Franz 8 Jahre lang in Düsseldorf die Volksschule ... und begann dort 1929 eine Kochlehre, die er nicht abschloß. Nach dem Tode seines Vaters hatte seine Mutter im Jahre 1928 zum zweiten Mal geheiratet. Sein inzwischen ebenfalls verstorbener Stiefvater war „deutschnational“ mit einer besonderen Vorliebe für das Preussisch-Militärische eingestellt. Franz war etwa ein halbes Jahr Mitglied der Kyffhäuser-Jugend, bevor er sich im Oktober 1932 zu einem vom Stahlhelm eingerichteten Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) in Ratingen meldete. Von hier aus kam er im Frühjahr 1934 zu einem Lager des Arbeitsdienstes in Bad Honnef. Im Oktober 1934 verließ er den Arbeitsdienst mit dem Rang eines Truppführers. Anschließend war er bis Oktober 1935 als Volontär ... bei einem Metzgermeister  in Düsseldorf-Oberkassel tätig. Im Oktober 1935 wurde er zur Ableistung seines Wehrdienstes zum Artillerieregiment 6 in Minden eingezogen. Während seiner aktiven Dienstzeit arbeitete er zeitweise als Koch. Als er nach zwei Jahren aus dem Wehrdienst entlassen wurde, hatte er den Dienstgrad eines Oberkanoniers.

Bereits während seiner Dienstzeit bei der aktiven Truppe hatte sich Franz um die Aufnahme in die SS-Wachtruppe beworben. Er wurde angenommen (SS-Nummer 319 906) und kam (im Oktober 1937) zur 3. SS-Totenkopfstandarte (Thüringen). Er war zunächst in Frankenberg und später in Weimar und Buchenwald stationiert. Nach der üblichen Grundausbildung fand er Verwendung als Rekrutenausbilder und als Koch. Zeitweise war er auch zum Wachdienst im KZ Buchenwald eingesetzt. Am 30. Januar 1938 wurde er zum SS-Sturmmann, am 9. November 1938 zum Rottenführer und am 30 Januar 1940 zum SS-Unterscharführer befördert. Gegen Ende 1939 (Oktober oder November) wurde Franz zusammen mit zwei SS-Kameraden nach Berlin beordert, wo er sich auf der Dienststelle des Reichsärzteführers ... melden mußte. Durch den damaligen SA-Standartenführer W. Blankenburg wurden Franz und seine Begleiter über die vom Führer angeordnete Euthanasieaktion unterrichtet und anschließend der  „Gemeinnützigen Stiftung für Anstaltspflege“ zugeteilt, zu deren Aufgabe die Realisierung des sog. Euthanasieprogramms (die Sichtung und Vernichtung „lebensunwerten Lebens“) gehörte. In der Folgezeit war Franz in den „Heil- und Pflegeanstalten“ Grafeneck in Württemberg, Hartheim bei Linz an der Donau, Sonnenstein bei Pirna in Sachsen und Brandenburg an der Havel ... als Koch tätig. Um die Jahreswende 1941/42 wurde er zur „Kanzlei des Führers“ nach Berlin versetzt und arbeitete als Koch in einer Küche dieser Dienststelle ...

Im Frühjahr 1942 wurde Franz, der inzwischen SS-Scharführer und am 20. April 1942 schließlich SS-Oberscharführer geworden war, im Rahmen der „Aktion Reinhard“ nach Lublin zur Dienststelle des SS- und Polizeiführers Globocnik abkommandiert und zunächst der Wachmannschaft des Vernichtungslagers Belzec zugeteilt. Dort arbeitete Franz wieder als Koch und bildete die ukrainischen Wachmannschaften aus. In Belzec blieb er bis zum Hochsommer 1942, und wurde dann zusammen mit seinem Vorgesetzten  SS-O.Stuf. Franz Stangl, dem neuen Lagerkommandanten, im Auftrag von SS-Stubaf. Christian Wirth zum Vernichtungslager Treblinka versetzt und übernahm dort wie in Belzec auch das Kommando über die ukrainischen Wachmannschaften. Seine Ankunft in Treblinka schildert er dem Gericht wie folgt:

 

  „Es war Hochsommer oder früher Herbst 1942 dass ich, von Belzec kommend in Treblinka eintraf. Ich bin vom Bahnhof Malkinia aus zu Fuß gegangen und erst in Treblinka angekommen, als es schon dunkel war. Im Lager lagen überall Leichen. Ich habe in Erinnerung, als wären diese Leiche aufgedunsen gewesen. Diese Leichen wurden von Juden durch das Lager geschleift, und zwar nachoben. Die arbeitenden Juden wurden von (ukrainischen) Wachleuten angetrieben, aber auch von Deutschen. Ich habe auch gesehen, daß die arbeitenden Juden auch geschlagen worden sind. Womit sie geschlagen worden sind, kann ich nicht mehr sagen. Es war ein großes Durcheinander und ein großes Gebrülle (...)“.


Aus: Ernst Klee u.a.: Schöne Zeiten, Judenmord aus der Sicht der Täter und Gaffer, Frankfurt am Main 1988.               


Franz kümmerte sich (fortan) um alles, was im Lager vor sich ging, und stieg bald zum Stellvertreter des Lagerkommandanten auf. In dieser Eigenschaft hatte er alle Zügel in der Hand und auf den ganzen Ablauf des Lagergeschehens einen uneingeschränkten Einfluß, zumal ... sich Stangl ... um den äußeren Dienstbetrieb nur wenig oder fast gar nicht kümmerte und sich draußen kaum sehen ließ. Franz nahm tatkräftig an allen im Lager anfallenden Arbeiten Anteil, inspizierte die Lagereinrichtungen im unteren wie im oberen Lager sowie die verschiedenen Arbeitskommandos. Bei der Ankunft von Transporten traf er nicht nur die Maßnahmen zu verstärkten Sicherheitsvorkehrungen, sondern griff auch persönlich bei dem Entladen der Züge, der Selektion der alten, kranken und gebrechlichen Personen mit ein, suchte unter den Ankömmlingen Arbeitsjuden aus und beaufsichtigte die Abfertigung der Transporte auf dem (Bahnhofsplatz), das Entkleiden der Opfer und ihre Weiterleitung durch den Schlauch bis in die Gaskammern. Leisteten die Juden seinen Befehlen dabei nicht schnell genug Folge oder zeigten sich sonst Widerstände, so schlug er brutal mit der Peitsche oder der Faust auf die bedauernswerten Opfer ein, hetzte den Hund Barry auf die Menschen oder verschaffte mit der Pistole seinen Worten und seinem Willen den erforderlichen Nachdruck. Alles in allem nutzte Franz, der wegen seines hübschen Gesichts, seiner guten Figur und seines gepflegten Äußeren bei den jüdischen Häftlingen den polnischen Spitznamen Lalka (= Puppe) hatte ... die ihm zur Verfügung stehende Machtfülle in einer furchtbaren und hemmungslosen Weise aus, um das vom Führer gesetzte Endziel der restlosen Vernichtung der jüdischen Menschen in seinem Machtbereich mitverwirklichen zu helfen und den nach Treblinka verschleppten Juden die kurze Spanne ihres Lebens, die ihnen hier noch zur Verfügung stand, zur qualvollen Hölle zu machen. Er bezeichnete die im Lager befindlichen Juden als „Arschlöcher“, als „Dreck“, als „Scheiße“ und als „Hunde“, die so bald und so gründlich wie möglich beseitigt werden müßten. Irgendeine Achtung vor dem Leben und der Persönlichkeit seiner Opfer war ihm völlig fremd. Er mißhandelte, boxte, prügelte und tötete, wenn es ihm Spaß machte und wenn er gerade dazu aufgelegt war ... demgemäß war Franz der Schrecken des ganzen Lagers ... Jeder Häftling, mochte er noch so krank oder schwach sein, erhöhte seinen Arbeitseifer und bemühte sich, einen möglichst günstigen Eindruck zu machen, um nur ja nicht aufzufallen. Gleichwohl fand Franz immer wieder Gründe, um jüdische Häftlinge zu mißhandeln und zu quälen und sie sogar entweder an Ort und Stelle zu töten oder zum Lazarett zur Erschießung zu schicken. Besonders gefürchtet war seine Anwesenheit bei den täglichen Appellen, wo er sehr häufig in großem Umfang Selektionen vornahm, um die Kranken und nicht mehr voll Arbeitsfähigen für die Liquidierung im Lazarett auszusuchen oder als Vergeltung für irgendwelche Fluchtversuche, Verstöße gegen die Lagerdisziplin oder sonstige Nichtigkeiten. In zahlreichen Fällen verhängte er auch die Prügelstrafe und vollzog sie eigenhändig auf dem dafür vorgesehenen Prügelbock. Dabei beschimpfte und bedrohte er sowohl die bedauernswerten Opfer als auch die (angetre-tenen) Arbeitshäftlinge in der gemeinsten und unflätigsten Weise und machte aus allem eine große Schau, die Furcht und Schrecken verbreitete ... Wieviele Menschen in Treblinka durch seine Hand oder durch seine unmittelbare Veranlassung zu Tode gekommen sind, ist mit Sicherheit nicht mehr fesstellbar. Fest steht nur, daß diese Zahl nicht gering ist und Franz durch sein Verhalten im Lager eine große Blutschuld auf sich geladen hat. Ein großer Teil der Ströme von Blut und Tränen, die in Treblinka geflossen sind, geht allein auf sein Konto.

Franz bemühte sich neben der Umsetzung der von Wirth für einen reibungslosen Ablauf des Tötungsprozesses vorgeschlagenen Maßnahmen außerdem während der Transportflauten  um die „Freizeitgestaltung“ in Treblinka. So ließ er dem Lagerorchester einheitliche Uniformen anfertigen, veranstaltete Boxkämpfe (er selbst hatte sich in dieser Sportart hervorgetan) und kümmerte sich um andere Belustigungen (Sport-, Kabarett- und Theaterveranstaltungen usw.). Arthur Gold, den Komponisten und Leiter des Orchesters, veranlaßte er auf den folgenden, vermutlich von ihm selbst verfaßten Text, eine „Treblinka-Hymne“ zu komponieren.

 

Frei in die Welt geschaut

Marschieren Kolonnen zur Arbeit.

Für uns gibt es heute nur Treblinka,

Das unser Schicksal ist.

 

Wir hören auf den Ton des Kommandanten

Und folgen dann auf seinen Wink.

Wir gehen Schritt und Tritt zusammen für das,

Was die Pflicht von uns verlangt.

 

Die Arbeit soll hier alles bedeuten                          

Und auch Gehorsamkeit und Pflicht,

Bis das kleine Glück

Auch uns einmal winkt.                                        

                                       

Das von Wirth in Treblinka eingeführte „Fließband des Todes“ funktionierte dank der zur Mithilfe gezwungenen Häftlinge und des persönlichen Einsatzes von Franz schließlich so perfekt, daß der ehemalige SS-U.Scharf. Gustav Münzberger 1971 gegenüber der Journalistin G. Sereny äußerte: „Wir brauchten gar nichts zu tun. Für uns gab es eigentlich überhaupt nichts zu tun. Ja, wir mußten eben nur da sein“.

 

Auf ausdrückliche Anweisung des RFSS Himmler wurde Franz am 21. Juni 1943 zum SS-Untersturmführer befördert, übersprang damit den Rang eines SS-Hauptscharführers, und wurde SS-Offizier (Leutnant). Globocnik hatte ihn u.a. SS-Männer, „die sich anläßlich der Aktion Reinhard besonders ausgezeichnet“ hatten, zur Beförderung vorgeschlagen.

Als in Treblinka am 2. August 1943 ein Häftlingsaufstand ausbrach war Franz auf Heimaturlaub, nach einem anderen Bericht mit Trawnikis beim Baden im Bug.

Als sein Vorgesetzter Franz Stangl, inzwischen zum SS-H.Stuf. befördert, Ende August/Anfang September 1943 nach Italien abkommandiert wurde, übernahm Franz seine Position. Am 6.10.1943 wendete er sich von Treblinka aus an das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS in Berlin mit der Bitte um Heiratserlaubnis mit einer DRK-Hilfsschwester aus dem Feldlazarett der Wehrmacht in Ostrow. Als letzter Lagerkommandant von Treblinka leitete er die Auflösung des Lagers und die Spurenbeseitigung sowie die Erschießung eines Restkommandos von 25-30 Häftlingen , bis er Ende 1943 ebenfalls nach Triest und Oberitalien als Ausbilder und zur Partisanenbekämpfung und Judenverfolgung versetzt wurde.

Gegen Ende 1944 wurde Franz bei der Partisanenbekämpfung verwundet. Nach der Genesung war er eine Zeitlang Sicherheitsoffizier für die Bahnlinie Görz-Triest. Bei Kriegsende setzte er sich zu Fuß nach Deutschland ab und begab sich zu seiner nach Arnstadt in Thüringen evakuierten Ehefrau. Schließlich geriet er dort in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er jedoch bald wieder entfliehen konnte. Er kehrte in seine Heimatstadt Düsseldorf zurück und meldete sich hier bereits am 26. Juni 1945 unter seinem richtigen Namen beim Arbeitsamt. In den nächsten drei Jahren war er als Brückenbauarbeiter tätig. Seit 1949 bis zu seiner Verhaftung am 2. Dezember 1959 arbeitete er wieder als Koch. Franz ist seit 1940 kinderlos verheiratet. Jedoch ist er Vater von vier unehelichen Töchtern, die aus Beziehungen zu vier verschiedenen Frauen hervorgegangen sind. Bei seiner Verhaftung fand man bei ihm ein Fotoalbum mit Bildern aus Treblinka, das er mit „Schöne Zeiten“ betitelt hatte.

Im 1.Treblinka-Prozeß (1964/65) wurde Franz als Hauptangeklagter vom Schwurgericht am Landgericht Düsseldorf wegen gemeinschaftlichen Mordes an mindestens 300 000 Menschen, wegen Mordes in 35 Fällen an mindestens 139 Menschen und versuchten Mordes zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt. Er hatte vor Gericht „ganz entschieden die (ihm) zur Last gelegten Übergriffe bestritten“ und behauptete, er hätte „niemals einem Menschen Unrecht getan oder Unrecht tun wollen“ und sei das Opfer einer Verwechslung (mit Eberl bzw. Küttner) geworden.

Franz wurde Mitte Mai 1993 gegen den mit der „Schwere der Schuld“ begründeten Einspruch der Staatsanwaltschaft Düsseldorf im Hinblick auf sein Alter, seine angegriffene Gesundheit (er hatte einen Herzinfarkt erlitten), die lange Haftverbüßung und wegen des Eingeständnisses seiner anfangs geleugneten Taten aus der Justizvollzugsanstalt Remscheid entlassen. Er starb am 4. Juli 1998 in einem Altersheim in Wuppertal.

 

Der Werdegang der meisten SS-Männern (z.B. auch von Franz Stangl, vgl. G. Sereny) zeigt, daß es abgesehen von wenigen Exzeß-Tätern wie Kurt Franz „ganz normale Männer“ waren (Ch. Browning), die „Hitlers Endlösung“ befehlsgemäß in die Tat umsetzten (für Treblinka vgl. die SS-Personalliste). „Ihr Verhalten ist nicht mit Massenhysterie und Massenspychologie zu erklären. Es gehört vielmehr in den normalen Bereich von Befehl und Gehorsam, von Autorität und Verantwortung und offenbart eine allgemeine menschliche Disposition. Dabei wird die Fähigkeit zu moralischer Selbständigkeit und Immunität gegenüber Verführbarkeit sowohl der eigenen als auch der anderer Menschen im allgemeinen weit überschätzt. Solange Menschen nicht für, sondern gegen Eigenverantwortlichkeit erzogen werden, ist die Wahrscheinlichkeit weiterhin groß, daß sich immer wieder Menschen überall und zu jeder Zeit zu mörderischen Taten mißbrauchen lassen“ (Ch. Zentner sowie neuerdings  H. Welzer, 2006).

Gedenkstein für J. Korczak und die Kinder   Foto: Manfred Burba, Treblinka 1997
Gedenkstein für J. Korczak und die Kinder Foto: Manfred Burba, Treblinka 1997

 

              Wir haben keine Schuld an ihrem Tod;

wir tragen Verantwortung,

dass sie nicht vergessen werden

und ihr Schicksal uns eine Warnung ist,

unser Gewissen und Mitgefühl nicht abzuspalten

von unserem Tun.